Debattieren, Standpunkte austauschen, leidenschaftlich streiten: All das sollte gelebter Standard in der Politik sein, um die besten Lösungen zu erringen. Aber eben mit Respekt, bitte!
Damit das ab sofort und in Zukunft noch besser gelingt, haben alle Fraktionen der Uetersener Ratsversammlung nun einen Katalog an Geboten im Umgang miteinander beschlossen: den Kodex für die Diskussionskultur in der Ratsversammlung und ihrer Gremien der Stadt Uetersen.
Das Regelwerk mit dem zugegebenermaßen etwas sperrigen Titel beinhaltet 4 Themenfelder mit insgesamt 22 Punkten, an die sich die gewählten Mandatsträger*innen halten sollen ― und zwar sowohl alle heutigen und zukünftigen Fraktionsmitglieder der aktuellen Wahlperiode 2023-2028 als auch darüber hinaus. 22 Regeln für Respekt und Wertschätzung, Fachlichkeit und Sachlichkeit, Offenheit und Transparenz, Gleichberechtigung und Ausgewogenheit.
„Wir behandeln einander so, wie wir selbst behandelt werden wollen.“
Respekt und Wertschätzung
Erarbeitet haben ihn Mitglieder von CDU, SPD, Grünen, BfB und FDP, sowie des Seniorenbeirats und Bürgervorsteher Baris Karabacak in einem zweiteiligen Workshop. In konstruktiver Arbeitsatmosphäre wurde diskutiert, formuliert, verworfen, umgeschrieben. Das Ergebnis kam nun in der Ratsversammlung auf die Tagesordnung und wurde einstimmig angenommen.

Ein Team für den Kodex (v.l.n.r.): Angela Birkholz (BfB), Rudolf Engels (FDP), Evelyn Heß-Niclausen (CDU), Gisela Struve (SPD), Oliver Lorentzen (Grüne), Katrin Stange (Grüne), Thomas Manske (SPD) und Bürgervorsteher Baris Karbacak (CDU). Es fehlen Volker Werth (FDP) sowie Peter Wesel und Burkhard Beckmann vom Seniorenbeirat
Kostenlos angeboten und moderiert hat das Projekt die Hamburger Körber Stiftung. Die begleitet nun auch unterstützend die Umsetzung des Kodex. Denn jedes Regelwerk ist nur so gut, wie es auch aktiv von allen Beteiligten nachhaltig mit Leben gefüllt wird. Dazu wird eine Arbeitsgruppe aus den Workshop-Teilnehmenden die nächsten Schritte ausarbeiten, beispielsweise Reaktionsmöglichkeiten bei Regelverstößen ausloten, die Wirksamkeit des Kodex beobachten und, falls notwendig, nachjustieren.
„Wir arbeiten ziel- und lösungsorientiert.“
Fachlichkeit und Sachlichkeit
Ein Projekt, das auch der Seniorenbeirat begrüßt: „In dem Kodex finden wir sehr viele Gedanken wieder, über die wir uns in den vergangenen Monaten mit allen Fraktionen, Bürgervorsteher und Bürgermeister ausgetauscht haben. Wir werden die Umsetzung aktiv unterstützen und begleiten.“
Aber warum ein Kodex? Und was haben die Bürger*innen davon?
Egal, ob Ertüchtigung von Straßen und Radwegen, Kita-Sanierung, Zuschüsse zu Schule und Sportprojekten oder Maßnahmen zum Schutz vor der Klimaerhitzung ― bei diesen kommunalpolitischen Dauerbrennern kann es gerade vor dem Hintergrund angespannter Kassenlage schon einmal emotional hoch her gehen, persönlich werden, die Stimmung kippen.


22 Gebote auf 2 Seiten: Damit es nicht bei Sätzen auf geduldigem Papier bleibt, wird die „Respekt im Rat“ AG in den kommenden Wochen ausarbeiten, wie sich der Kodex im Sitzungsalltag mit Leben füllen lässt — und welche Konsequenzen folgen, sollte er wiederholt oder mutwillig missachtet werden
„Die Sachthemen bleiben dann häufig auf der Strecke, Prozesse ziehen sich über Monate und Jahre hin wie altes Kaugummi. Das ist nicht gut. Weder für die Stadt, ihre Bewohnerinnen und Bewohner noch für den Glauben an die Gestaltungskraft von Politik und Demokratie“, sagen Bürgervorsteher Baris Karabacak und Evelyn Heß-Niclausen von der CDU.
Genauso sehen es Gisela Struve und Thomas Manske von der SPD: „In der Sache unterschiedlicher Meinung zu sein, liegt in der Natur der Demokratie. Was ihr oftmals als Schwäche ausgelegt wird, ist aber in Wahrheit ihre Stärke. Anstatt die Meinung einer knappen Mehrheit durchzudrücken, gilt es, die für alle Beteiligten bestmöglichen Kompromisse auszuhandeln. Denn auf diese Weise gefundene Lösungen haben den größtmöglichen Rückhalt.“
„Wir beteiligen uns konstruktiv an der Suche nach Kompromisslösungen bei strittigen Themen.“
Offenheit und Transparenz
„Wir alle wollen gemeinsam die Stadt für alle, die in ihr wohnen, im besten Sinne weiterentwickeln. Dafür investieren wir als Ehrenamtliche unsere Energie und Freizeit. Eine positiv produktive Atmosphäre im gegenseitigen Respekt und Vertrauen zwischen den Beteiligten der Selbstverwaltung und der Beiräte, aber auch gegenüber den Mitarbeitenden der Verwaltung sind dabei immens wichtig“, sagt FDP-Ratsherr Rudolf Engels.
„Dass es auch mal ordentlich knirscht, wenn Menschen mit unterschiedlichen Ansichten zusammenkommen, ist völlig normal. Das kennen wir alle nur zu gut aus dem Familienalltag oder Bekanntenkreis“, sagt Angela Birkholz von der Wählergemeinschaft BfB. „Der Kodex kann dabei helfen, auf den Pfad der Sachlichkeit zurückzukehren, wenn ihn alle verinnerlichen und bei Bedarf auch die Sitzungsleitung bei der Umsetzung unterstützen.“
„Wir streben eine ausgewogenen Beteiligung aller an.“
Gleichberechtigung und Ausgewogenheit
Ein starkes, belastbares Miteinander: Das wird in kommenden Wahlperioden vermutlich noch wichtiger werden. „Niemand kann garantieren, dass die Uetersener Ratsversammlung auch in Zukunft frei bleibt von Feinden unserer rechtsstaatlichen und freiheitlich demokratischen Grundordnung“, ergänzen die Grünen Katrin Stange und Oliver Lorentzen. „Wir sind gemeinsam aufgerufen, uns nicht in Detailfragen zu verbeißen. Stattdessen müssen wir handlungsfähig und gestaltungskräftig bleiben. Denn auch und gerade damit verteidigen wir unsere freiheitliche Grundordnung. Hier vor Ort, wo Demokratie und politische Entscheidungen direkte Auswirkungen auf das Leben der Menschen haben. Auch im vergleichsweise kleinen und beschaulichen Uetersen.“
In den Farben und häufig auch in den Ansichten getrennt, in der Sache geeint: Gemeinsam für ein noch lebens- und liebenswerteres Uetersen. Mit viel Respekt, bitte!
Sie haben Fragen zum Kodex, zum weiteren Arbeitsprozess oder zu Themen, die Politik und Verwaltung gerade in Uetersen beschäftigen? Wunderbar! Dann treffen Sie Mitglieder aller Fraktionen und des Seniorenbeirats.
Am Freitag, 27. Juni 2025, 9 – 12 Uhr: gemeinsamer Infostand am Wochenmarkt gegenüber des Pressecafés.
Den Kodex mit allen Geboten können Sie auch hier nachlesen: https://uetersen.de/ratsversammlung.html